Schreibaby: Regulationsstörungen im Säuglingsalter

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© Laura Garcia / Pexels – Schreibaby: Regulationsstörung im Säuglingsalter

Babys schreien und zumeist tun sie das aus einem guten Grund. Hunger, Blähungen, eine feuchte Windel oder das Bedürfnis nach Nähe werden mitunter durch Weinen und Schreien kommuniziert. In den ersten Lebensmonaten sind schlaflose Nächte daher keine Ausnahme. Und auch am Tag meldet sich der Nachwuchs lautstark. Doch ab wann ist ein Baby ein Schreibaby? Und was bedeutet das für Eltern?

Für viele Eltern ist es objektiv nur schwer einzuschätzen, ob sich das eigene Baby und sein Schreien im normalen Bereich bewegen, oder ob das Schreien exzessiv ist und noch mehr Aufmerksamkeit auf das Kind und seine Bedürfnisse gelegt werden muss. Ist dein Baby also nun ein Schreibaby? Oder liegt alles im üblichen Rahmen? Für diese Abgrenzung gibt es glücklicherweise eine simple Faustformel.

Ab wann ist Schreien exzessiv?

Wenn es um die Abgrenzung zwischen den normalen Lautäußerungen eines Babys und dem Verhalten eines Schreibabys geht, gilt die Dreier-Regel oder auch Wessel-Regel, die nach dem amerikanischen Kinderarzt Morris Wessel benannt ist. Sie besagt, dass ein Säugling, der länger als drei Wochen, an mehr als drei Tagen der Woche und an mehr als drei Stunden am Tag schreit, als “Schreibaby” einzustufen ist. Schätzungen zufolge trifft dies auf rund 20 Prozent aller Neugeborenen zu.

Die Dreier-Regel dient jedoch nur als Faustformel. Die abschließende Einschätzung liegt auch beim subjektiven Empfinden der Eltern. Geraten diese an ihre Grenzen, ist professioneller Rat empfehlenswert. Mehr zu konkreten Maßnahmen und Anlaufstellen liest du weiter unten. Zudem gilt, dass ein exzessives Schreien zumeist in der Zeit zwischen der 2. und 6. Lebenswoche auftritt und dann weniger wird. Vielleicht befindet sich das Baby also gerade inmitten des ersten großen Entwicklungsschubs? Lies dazu unseren Ratgeber “Die 8 Wachstumsschübe bei Babys”.

Früher sprach man bei Schreibabys auch von den sogenannten “Dreimonatskoliken”, da man Verdauungsprobleme als ursächlich erachtete. Heute gilt dieser Begriff als veraltet und man weiß mittlerweile, dass Bauchschmerzen nicht zwingend durch ein Verdauungsproblem verursacht werden. Leider wird der Begriff aber auch heute noch in vielen Ratgebern falsch erklärt.

Warum schreit das Kind denn nur?

Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die dazu führen, dass ein Kind schreit. Nicht zwingend müssen Hunger, Durst oder Schmerzen dahinter stecken. Denn auch andere Bedürfnisse und Befindlichkeiten werden durch Schreien mitgeteilt. Schließlich kann ein Säugling noch nicht sprechen und sagen: “Mir ist langweilig!” oder “Ich will kuscheln!”, daher muss er auf die lautstärkere Form der Kommunikation zurückgreifen. Mit der Zeit lernen Eltern, die Sprache ihres Kindes besser zu verstehen, sodass die Grundbedürfnisse besser erkannt werden.

Ein weiterer Grund für das Schreien kann im Bewegungsapparat gefunden werden. Das sogenannte KISS-Syndrom steht für eine “Kopfgelenk-induzierte-Symmetrie-Störung”. Dabei handelt es sich  um eine Blockade im Bereich der oberen Halswirbelsäule. Sie soll für schmerzhafte Verspannungen bei Babys und Kleinkindern verantwortlich sein. Häufig davon betroffen sind Babys, die per Kaiserschnitt oder mithilfe einer Saugglocke oder Zange geboren wurden. In der Allgemeinmedizin ist KISS nicht als Krankheitsbild existent. Physiotherapeuten oder Osteopathen hingegen wissen um die Auswirkungen und Langzeitfolgen und bieten entsprechende Therapiemethoden an.

Lesetipp:

Mit den vielfältigen Faktoren, die ein Kind zu einem Schreibaby oder Schreikind werden lassen, befasst sich auch der Schreibaby-Ratgeber von swing2sleep.de.

Was bedeutet, dass mein Baby Regulationsstörungen hat?

Bereits Säuglinge verfügen über erste Methoden, um sich selbst zu beruhigen. Sie wenden dazu den Kopf ab oder nehmen ihre Hände in den Mund. Der pädiatrische Begriff frühkindlicher Regulationsstörungen umschreibt hingegen das Verhalten von Babys und Kleinkindern, die Schwierigkeiten haben, ihr Verhalten selbst zu regulieren. Die betroffenen Babys reagieren besonders stark auf Reize von Außen. Geräusche von der Straße, innerhalb eines Wohnblocks, Farben, Gerüche, all dies ist für ein kleines Kind neu. Es muss erst lernen, all diese Sinneswahrnehmungen zu verarbeiten. Die anfänglich empfundene Reizüberflutung sorgt dafür, dass das Baby lautstark Hilfe bei der Bewältigung dieser Situationen erbittet.

Neben exzessivem Schreien können sich Regulationsstörungen bei Babys ebenfalls durch Schlafstörungen oder beim Ess- und Trinkverhalten bemerkbar machen. So plausibel und nachvollziehbar die eingeschränkte Fähigkeit eines Babys zur Selbstregulation erscheinen mag, so kann ein Schreibaby seine Eltern an ihre Belastungsgrenzen führen. Besonders schwierig wird es, wenn die Bindung zum Kind darunter leidet. Denn das wiederum führt zu einem Teufelskreis: Probleme in der Eltern-Kind-Bindung können Regulationsstörungen begünstigen.

Regulationsstörungen bei Babys
© Tim Mossholder / Pexels – Babys mit Regulationsstörung schreien überdurchschnittlich viel

So werden die Nächte ruhiger

Gegen Außenreize können Eltern nur bedingt etwas tun, aber sie können ihrem Kind dabei helfen, mit ihnen umzugehen. Ruhe und Sicherheit sind dabei eine gute Hilfe. Wenn das Baby merkt, dass seine Eltern nicht in Panik verfallen, keinen Grund zur Aufregung sehen, kann es den Reiz mit der Zeit richtig einordnen und reagiert nicht mehr mit Schreien.

Gemeinsame Rituale und eine geregelte Tagesstruktur sind ebenfalls eine Hilfe, wenn es darum geht, dem Baby mehr Sicherheit zu geben. Der Grund: Durch Wiederholungen entsteht eine Struktur, die schon die Kleinsten verstehen. Sie hilft dabei, Ruhe zu finden und verleiht Sicherheit. Hierzu zählen unter anderem auch geregelte Mahlzeiten, ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, sowie die richtigen Bedingungen für einen gesunden Babyschlaf.

Der letzte Ausweg: Schreiambulanz

Bedenke immer: Dein Baby schreit nicht, um dich zu ärgern. Es schreit, weil es in diesem Moment keine andere Möglichkeit hat, seine Bedürfnisse mitzuteilen oder sich selbst zu regulieren. Du bist dennoch an deiner Grenze angekommen und weißt nicht mehr weiter? Dein Baby macht dich mit dem Schreien einfach wahnsinnig? Dann zögere nicht, dir Unterstützung durch Fachexperten zu holen. In vielen Städten gibt es für Eltern mit Schreibabys spezielle Schreiambulanzen. Das sind besondere Angebote von Hebammen- und Kinderarztpraxen, Kliniken oder Beratungsstellen, speziell für Eltern von Schreibabys.

Schreiambulanzen in deiner Nähe

Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen bietet auf seiner Webseite eine deutschlandweite Suche von Schreiambuanzen an: https://www.elternsein.info/suche-schreiambulanzen/ (Quelle: elternsein.info)

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