Buchrezension | Rezensionsexemplar*
“Jungs sind wild, sollen nicht weinen und tragen keine Röcke: männliche Geschlechtsnormierung hält sich hartnäckig. Und richtet Schaden an bei Jungs.” – Darüber schreibt der Journalist, Feminist und Vater Nils Pickert in seinem Buch “Prinzessinnenjungs”.
Dinos oder Einhornglitzer?
Vorab eine Frage an euch: Mein Kind (m/w/d) liebt Flugzeuge, Dinos, Bügelperlen und ebenso sein Plüscheinhorn. Es klettert auf Bäume und mag Anna und Elsa. Es trägt gerne blauen Nagellack und manchmal ebenfalls einen Fingerring mit grünem Glitzerstein. Ist es also ein Junge oder ein Mädchen?
Eigentlich sollte diese Frage an dieser Stelle keine Relevanz haben. Doch sie hat. Nils Pickert beschreibt in seinem Buch, welche Geschlechterklischees bereits beim Spielzeug, später auf dem Schulhof und letztendlich auch in den Köpfen der Menschen vorherrschen und wie diese Klischees für eine determinierte Männlichkeitsnormierung sorgen. Aus seiner Sicht werden Jungen durch künstlich auferlegte Normen und Rollenzuweisungen in ihrer freien Entfaltung und Individualität begrenzt. Jungs sollen nun eben stark sein und nicht weinen. Obendrein sollen sie weder die Farbe Pink, noch Glitzer gut finden und nur mit bestimmten Spielsachen spielen.
Mit seinem Buch möchte Nils Pickert darauf aufmerksam machen, dass Jungen viele Facetten haben. Dass neben all diesen auch Träume und Gefühle, die als schwach, unmännlich – beziehungsweise “mädchenhaft” gelten, einen Jungen ausmachen. Dass Jungs keine “harten Kerle” sein müssen und sie ebenso sanft, empathisch und fürsorglich sein können. Und auch, dass Gewalt und körperliche Wehrhaftigkeit keine Attribute der Männlichkeit sein dürfen. Nils Pickert möchte Eltern helfen, sich vom binären Schubladendenken zu lösen.
Prinzessinnenjungs*
Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien
Autor: Nils Pickert
Paperback: 254 Seiten
Verlag: Verlagsgruppe Beltz
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-407-86587-8
Größe: 13,6 x 21,5 cm
Erscheinungsdatum: 11. März 2020
Der Autor Nils Pickert
Nils Pickert (geboren 1979 in Ostberlin) ist Vater von vier Kindern und als freier Journalist tätig. Er lebt mit seiner von ihm liebevoll als “Lebenskomplizin” benannten Partnerin und den gemeinsamen Kindern in der Nähe von Kiel. Nils Pickert hat Literatur und Politik studiert und engagiert sich seit 2013 für den Verein Pinkstinks gegen Homophobie und Sexismus.
Im Jahr 2012 ging ein privates Foto von ihm und seinem damals fünfjährigen Sohn viral. Auf dem Bild sieht man ihn Hand in Hand mit seinem Sohn durch die Fußgängerzone einer süddeutschen Kleinstadt spazieren. Beide sind barfuß. Sein Sohn trägt ein rotes Kleid mit Spaghetti-Trägern. Aus Solidarität mit seinem Sohn trägt auch Pickert einen roten, wadenlangen Rock. Das Foto ging um die ganze Welt und sorgte für Diskussion.
Wo ist das Buch erhältlich?
Erhältlich ist Nils Pickerts Buch “Prinzessinnenjungs – Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien” bei der Verlagsgruppe Beltz, sowie regulär im Buchhandel oder bei Amazon*.
Fazit zu Prinzessinnenjungs
Brauchen Kinder eine klare binäre Geschlechtsidentität und geschlechterspezifischen Rollen, um Junge oder Mädchen zu sein? Oder beraubt es sie ihrer freien Entfaltung? Nils Pickerts Buch thematisiert typische Geschlechterklischees und die Rollenbilder unserer Gesellschaft.
Wer einen klassischen Erziehungsratgeber sucht, wird in Prinzessinnenjungs möglicherweise konkrete Handlungsempfehlungen vermissen. Das Buch verfolgt einen anderen Ansatz: Es lädt ein zur Selbstreflexion und gibt Impulse. Unbewusstes soll in den Köpfen bewusst gemacht werden, damit Menschen nicht unreflektiert in Schubladen gesteckt werden.
Erziehung ist in Summe kein leichtes Thema. Gendergerechte Erziehung mitnichten. Ob Eltern nun eine konsequent genderneutrale Erziehung anstreben oder gutheißen, liegt ein Stück weit in ihrem eigenen Ermessen. Doch was wir alle von diesem Buch lernen können, ist die Notwendigkeit, einer Welt von künstlich geschaffenen Geschlechterstereotypen entgegenzuwirken.
Wollen wir Gleichberechtigung und Chancengleichheit, dann dürfen wir auch unsere Kinder nicht blind in Rollen zwängen. Unsere heutige Welt kann Diversität verkraften. In diesem Sinne sollte es heutzutage normal sein, ein Seeräubermädchen oder ein Prinzessinnenjunge zu sein!
»In jedem Jungen stecken Träume,
Hoffnungen und Eigenschaften, die als
unmännlich, schwach und mädchenhaft
bezeichnet und als falsch markiert werden.
Aber Jungen brauchen Körperkontakt,
Mitgefühl, Trost und Einhornglitzer.
Sie verdienen es, Prinzessinnenjungs
sein zu dürfen.«
Nils Pickert, Prinzessinnenjungs
*) Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Verlagsgruppe Beltz entstanden. Vielen Dank für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.
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Eure Ansprechperson in der Windelprinz Redaktion ist Stefanie. Die dreifache Mami gründete in 2017 das Onlinemagazin Windelprinz.
Und wieso nennt man sie Prinzessinnenjungs, wenn man eigentlich von den Geschlechterrollen weg will?
Weil man mit einem Kleid kein Prinz mehr sein kann, weil das ja nur Prinzessinnen tragen?
Liebe*r Si,
herzlichen Dank für den wertvollen Kommentar zu einem sensiblen und kontrovers diskutierten Thema.
Wir sehen es auch so, dass “gender equality” viel Interpretionsspielraum und unterschiedliche Betrachtungsweisen offen lässt. Daher auch kein leichtes Thema und es fühlt sich selbst bei gut gemeinten Ansätzen, wie z.B. dem Titel dieses Buches, immer irgendjemand auf den Schlips getreten.
Du hast natürlich absolut recht – warum sollte ein Prinz kein Kleid tragen? Auch dafür sollte unsere heutige Gesellschaft offen sein. Diversität sollte ja schließlich in kein Korsett gepresst werden. – Oder gerade erst recht, in knallbunt!” 🌈😅
Kurzum: Es wäre schön wenn solche plakativen Titel oder Phrasen nicht gleich falsch verstanden würden. UND: Man sollte ebenso Toleranz walten lassen, wenn Menschen sich für Diversität aussprechen und es dabei mit ihrer Wortwahl nicht allen recht machen können. In unserer diversen Welt ist das nahezu unmöglich…
Liebe Grüße
Stefanie | windelprinz.de